Stellungnahme des BiM zum Referentenentwurf der DiGAV
Heute am 19. Februar 2020 findet im Bundesgesundheitsministerium die Anhörung zum Referentenentwurf einer Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung statt. Auch der BiM ist zur Meinungsbildung eingeladen und hat vorab eine Stellungnahme zum Referentenentwurf abgegeben.
Stellungnahme zum Referentenentwurf „Verordnung über das Verfahren und die Anforderungen der Prüfung der Erstattungsfähigkeit digitaler Gesundheitsanwendungen in der gesetzlichen Krankenversicherung“ vom 15.01.2020
Wir begrüßen die Vorlage der Rechtsverordnung zu einem so frühen Zeitpunkt. Weitgehende Inhalte der Rechtsverordnung stellen eine solide und angemessene Übersetzung der im Gesetz eingeführten Digitalen Gesundheitsanwendungen dar. Auf diese Punkte soll in dieser Stellungnahme nicht weiter eingegangen werden.
Das Verfahren zur Rechtsverordnung zeigt, dass Stellungnahmen von Verbänden ein sinnvolles Instrument sind, um eine funktionsfähige Rechtsverordnung zu installieren. Wir schlagen daher vor, ein Stellungnahmeverfahren bei Änderungen des Leitfadens verpflichtend einzuführen, wie wir es aus dem Nutzenbewertungsverfahren für Arzneimittel kennen. Damit haben die Herstellerverbände die Möglichkeit gehört zu werden und ihre Bedenken rechtzeitig zu äußern.
Einige Punkte des Entwurfs der Rechtsverordnung erfordern aus unserer Sicht jedoch deutlich Nachbesserungen.
Abschnitt 4 Anforderungen an den Nachweis positiver Versorgungseffekte
Wie gesetzlich vorgesehen kann der positive Versorgungseffekt sowohl ein medizinischer Nutzen wie auch eine patientenrelevante Verfahrens- und Strukturverbesserung sein. Der medizinische Nutzen wird dargestellt als:
„patientenrelevanter therapeutischer Effekt insbesondere hinsichtlich der Verbesserung des Gesundheitszustandes, der Verkürzung der Krankheitsdauer, der Verlängerung des Überlebens oder einer Verbesserung der Lebensqualität.“ (§14)
Damit wird die Erwartung an die DiGA ähnlich hoch gelegt, wie die an den Nutzen eines neuen Arzneimittels. Wir befinden uns hier jedoch im Bereich der Medizinprodukte, die auch ein besseres Leben mit der Erkrankung, bessere Adhärenz mit einbeziehen sollten. Aus den Erfahrungen bei der Nutzenbewertung von Arzneimitteln, wissen wir, dass Nachweise zur Verbesserung der Lebensqualität gegenüber den harten Endpunkten keine Beachtung finden. Im Zusammenhang mit den DiGA sollte die bessere Einstellung von Werten, die eine Krankheit beschreiben (Messwerte wie Blutzucker, Blutdruck…), die dann wiederum in den Behandlungsprozess einfließen, ausreichend sein.
Die hohen Anforderungen setzen sich im §16 Studien zum Nachweis positiver Versorgungseffekte fort. Hier wird gefordert, das der positive Versorgungseffekt „…mittels einer vergleichenden Studie, welche belegt, dass die Intervention gegenüber der Nichtanwendung der digitalen Gesundheitsanwendung überlegen ist.“
Das klingt im Vergleich zu der bisherigen Offenheit der DVG-Gesetzgebung nicht nur etwas einfallslos, sondern auch nach einer erheblichen Verschärfung an die Anforderungen der Evaluation für die digitalen Gesundheitsanwendungen.
Sinnvoll wäre im §16 genauer zu beschreiben, welche Studiendesigns unterhalb des RCT-Levels beispielhaft möglich wären. So würde Spielraum geöffnet.
Gleiches ist bei den Voraussetzungen für die Erprobungsphase zu finden. Im § 19 Begründung der Versorgungsverbesserung heißt es: „…zur Begrünung des positiven Versorgungseffektes, der im Rahmen der Erprobung nachgewiesen werden soll, {hat der Hersteller} mindestens die Ergebnisse einer Pilotstudie vorzulegen.“
Das DVG verlangt für die Erprobung der digitalen Gesundheitsanwendungen „… eine plausible Begründung des Beitrags der digitalen Gesundheitsanwendung zur Verbesserung der Versorgung …“ (§ 139e Abs. 4 SGB V n.F.). Hieraus lässt sich die Anforderung einer Pilotstudie nicht entnehmen. Plausibilität zeichnet sich gerade dadurch aus, dass eine Begründung sich allein aus logischen Schlussfolgerungen und Parallelwertungen ohne konkreten Nachweis durch eine Studie oder auch andere valider Methoden ergibt. Der Mindestnachweis durch eine Pilotstudie wäre zwar möglich und in den Fällen, in denen der logischen Schlussfolgerung oder der Parallelwertung noch auf die Sprünge geholfen werden muss, auch sinnvoll. Er ist aber weder dem Begriff der Plausibilität noch dem DVG zu entnehmen. Notwendig wäre dagegen im §19 die Anforderungen an die Pilotstudie zu konkretisieren, um mit Mindestanforderungen an das Studiendesign Klarheit zu schaffen. Dabei sollen die Anforderungen dem Risikoprofil und der Zweckbestimmung genügen.
Um nicht zu viele positive Ansätze schon bei der Beantragung aus dem Rennen zu schicken, ist hier dringend mehr Offenheit geboten.
In §18 Bewertungsentscheidung über das Vorliegen eines hinreichenden Nachweises kann dafür eine Grundlage geschaffen werden, indem dem BfArM hier ausdrücklich ermöglicht wird, von den beschriebenen Evidenzgraden und Anforderungen auch nach unten abzuweichen, wenn die Erkenntnisse über die DiGA und ihr geringes Gefährdungspotenzial das zulassen.
Alternativ wäre es auch möglich in den zitierten Paragrafen auf die unterschiedlichen Risikograde einer DiGA und der jeweils angemessenen Evidenz einzugehen. So ist eine App zur Erfassung von Krankheitskriterien sicherlich weniger aufwändig zu belegen als eine App, die unmittelbar zu Handlungen anleitet. Wünschenswert wäre es, wenn in der Rechtsverordnung Korridore geschaffen würden, die für unterschiedlich risikobehaftete Digitale Gesundheitsanwendungen auch unterschiedliche Anforderungen an den Evidenz-Nachweis beschreiben. So könnten sich BfArM und Hersteller einordnen und miteinander abstimmen, welche Studien- und Evaluationsdesigns erforderlich sind.
Einen weiteren Punkt stellt der angekündigte Leitfaden des BfArM dar, der einige der Beschreibungen und er Rechtsverordnung weiter konkretisieren soll. Damit erhält das BfArM großen Einfluss auf die Interpretation der Inhalte. Der Leitfaden soll zum Beispiel Näheres zum wissenschaftlichen Evaluationskonzept (§20), Antrag des Herstellers (§21), Anzeige von Veränderungen (§24) und damit für die Hersteller wesentliche Bereiche. Hierzu sollte ein Stellungnahmeverfahren verbindlich festgeschrieben werden, um ein für beide Seiten tragbares Verfahren zu entwickeln.
Mehr Informationen sollte die Rechtsverordnung zum Thema „Zugang zu DiGA“ enthalten. Es bleibt für Hersteller unklar, wie der Prozess des Zugangs des Versicherten zur DiGA abgewickelt werden soll, denn die Voraussetzungen für entsprechende Verfahren müssen in den Anwendungen noch geschaffen werden. Die Rechtsverordnung schafft hierzu leider bisher noch keine Klarheit.